Annett Kieschnick im Gespräch mit Haristos Girinis, Girinis Dental Design

Haristos Girinis ist Zahntechniker aus Überzeugung. Emotionen, Leidenschaft und der klare Blick für Details formen seinen Alltag. Seine Vita belegt sein Streben nach Unabhängigkeit und stetiger Weiterentwicklung. Geboren als Sohn einer griechischen Familie lebt er seit Jahrzehnten im Schwarzwald seine Vision der Zahntechnik. Im Gespräch mit Annett Kieschnick erklärt er, weshalb bei ihm stets der Mensch im Mittelpunkt seines Tuns steht.

 

Haristos, arbeitest du eigentlich gerne?

Haristos Girinis: Nein! (lacht) Sind wir mal ehrlich, wir Menschen sind doch von Natur aus gemütlich und suchen uns einen bequemen Weg; das meine ich keineswegs negativ. Kein Mensch macht sich gern unnötig mehr Arbeit und über mich behaupte ich, der größte Faulpelz überhaupt zu sein. Das bedeutet meiner Meinung nach, dass der Energieaufwand, der aufgebracht werden muss, um ein Ziel zu erreichen, sehr groß sein muss, im Verhältnis zu jemandem, der fleißig ist. Doch daran bin ich selbst schuld, da ich faul bin. Letztlich wird Faulheit oft negativ ausgelegt. Doch sind es die „faulen Momente“, die uns körperlich und geistig leistungsfähig machen sollten und ich glaube, als Zahntechniker müssen wir alle sehr viel Leistungsfähigkeit an den Tag legen.

Wie wird man als Zahntechniker erfolgreich?

Was ist Erfolg und wer definiert, was erfolgreich ist? Jeder, der sich ein Ziel setzt und es erreicht, ist auf seine Art und Weise wohl erfolgreich. Der eine fokussiert wirtschaftliche Ziele und sein Erfolg ist es, viel Geld anzuhäufen. Der andere hingegen hat das Ziel der Anerkennung und fühlt sich erfolgreich, wenn ihm viele Menschen applaudieren. Derjenige, der Applaus bekommt, muss aber nicht reich sein und umgekehrt. Erfolg ist eine Frage des eigenen Anspruchs. Grundsätzlich sollte man für sein Ziel brennen, denn nur so wird man die Energie haben, es mit Leidenschaft anzustreben. Man kann einen Vergleich zum Kochen ziehen: Entweder ich koche leidenschaftlich gern und mit Liebe (geht ja bekanntlich durch den Magen); das Essen wird dann individuell, einzigartig, exzellent. Oder ich koche einfach und esse, und werde satt. Der Zweck ist mit Beidem erfüllt, doch die Prise macht den Unterschied. Also wie wichtig ist es mir und was bin ich bereit dafür zu tun?!

Inwieweit würdest du dich als Grenzgänger bezeichnen?

Ein geschätzter Kollege sagte mal zu mir: „Nur an der Grenze passiert Veränderung.“ Einerseits sind Grenzen wichtig für die Selbstmotivation; eine aktive Auseinandersetzung mit Grenzen berührt den Kern unserer Leistungsfähigkeit. Oft sind es bewusste Grenzüberschreitungen, die uns voranbringen können; manchmal bringen sie uns auch zum Weinen. Andererseits müssen wir bestimmte Grenzen respektieren, zum Beispiel in der Zahntechnik im Bereich der Werkstoffkunde. Eine grenzwertige Behandlung kann da unseren Arbeitserfolg massiv beeinträchtigen. Da bin ich kein Grenzgänger, sondern bewege mich nur auf sicherem Terrain. Grundsätzlich lebe ich nach dem Motto, dass wir an unsere Grenzen gehen und diese ausdehnen müssen, um der eigenen Entwicklung Raum zu geben. Mit diesem Anspruch polarisiere ich häufig, da ich dem stereotypen Denken und Handeln widerspreche. Doch ich habe gelernt, damit umzugehen und das war auch eine Grenzerfahrung. Grenzgänger beziehungsweise Grenzüberschreiter bin ich auf jeden Fall zwischen den Kulturen Griechenlands und Deutschlands. Das ist ein innerer Konflikt zwischen zwei Extremen, die vom Lebensgefühl her weit auseinanderliegen. Da bewege ich mich wahrhaft zwischen zwei Welten.

In welchen Situationen bist du „typisch deutsch“ und wann bist du ein „echter Grieche“?

Das ist ein Konflikt der Tugenden. Grieche zu sein, geht in meinen Augen vor allem mit einem besonderen Lebensgefühl und einer besonderen Energie einher. Diese Energie ist immer da, egal, wo ich mich aufhalte. „Typisch griechisch“ ist für mich der Hang zur Philosophie, so versuche ich beispielsweise immer, die Dinge in der Tiefe zu ergründen und zu entschlüsseln. Neben diesem Philosophieren und Analysieren habe ich auch noch eine „typisch deutsche“ Seite, nämlich die Fähigkeit, konsequent und kompromisslos zu arbeiten. Deutsche genießen allgemein den Ruf, Tugenden wie Pünktlichkeit, Präzision, Ordnung und Zuverlässigkeit, zu besitzen. Ich versuche beides in einer Per- son zu vereinen und meine „typisch deutschen“ Eigenschaften mit „griechischem Lebensgefühl“ zu paaren.

Deine Mutter und ein Teil deiner Familie leben in Griechenland. Du lebst im Schwarzwald. Wo ist deine Heimat?

Es gibt in Griechenland einen Spruch: „Dort wo du lebst, ist dein Zuhause“. In meiner Brust schlagen zwei Herzen: Die Heimat ist für mich Griechenland; zuhause bin ich im Schwarzwald. Wenn ich in Griechenland bin, habe ich ein heimisches Lebensgefühl, obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin. Manchmal birgt das ein gewisses Konfliktpotenzial, doch auch das ist ein Teil von mir.

Wenn man mit dir spricht, scheinst du immer in dir zu ruhen. Welche Situationen bringen dich in Rage?

Ungerechtigkeit, Lügen, Ungleichheit, Egoismus. Ich empfinde es als ungerecht, wenn wohlwollend gehandelt, dies aber in keiner Weise anerkannt wird. Das hat meiner Ansicht nach viel mit der emotionalen Intelligenz des Gegenübers zu tun. Auch fehlendes Vertrauen innerhalb einer Partnerschaft – beruflich und privat – enttäuschen mich. Ich habe gelernt und befinde mich nach wie vor in einem Lernprozess, um in den jeweiligen Situationen innezuhalten und Klarheit in meinen Gedanken zu schaffen. Die Kür ist es dann, die angesammelte Energie positiv zu nutzen und konstruktive Veränderungen anzustreben.

Du bist Zahntechniker aus Überzeugung und gehst scheinbar unbeirrt deinen Weg. Kannst du kurz deinen Werdegang beschreiben?

Mittlerweile arbeite ich seit 25 Jahren als Zahntechniker. Der von dir sogenannte unbeirrbare Weg ist mit Höhen und Tiefen sowie mit vielen Erfolgserlebnissen, aber auch mit Misserfolgen verbunden. Übrigens: Gerade die Misserfolge sind meine treuesten Lehrer. Meine Ausbildung habe ich in einem klassischen Großlabor gemacht. Dort habe ich gelernt, was organisieren bedeutet; eine „typisch deutsche“ Eigenschaft (lacht). Das hat mir gut gefallen und eine wichtige Basis für meine Zukunft bereitet. Die Meisterschule absolvierte ich berufsbegleitend. Nach meiner Tätigkeit als angestellter Zahntechniker in gewerblichen Labors und der Arbeit in einem Praxislabor genieße ich seit 2006 die Selbstständigkeit in eigenen Räumen. Zudem bin ich als Referent aktiv und gebe mein Wissen über Publikationen weiter.

War der Schritt, ein eigenes Labor zu gründen, eine Art persönliche „Unabhängigkeitserklärung“?

Was bedeutet Unabhängigkeit? Wir leben in einer sozialen Gemeinschaft, in der Ethik, Fairness, Respekt und Gleichheit zählen – zählen sollten. Der Gemeinsinn sollte Priorität haben, trotzdem kann man als einzelner Mensch unabhängig sein. Unabhängigkeit beginnt für mich damit, dass man weiß, was für einen selbst richtig ist und versucht, danach zu leben. Der Schritt, ein eigenes Labor zu gründen, war für mich eine Freikarte, mit der ich meinem Drang nach Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit nach- geben konnte. Ich habe die Freikarte gelöst und kann heute meine Vision vom zahntechnischen Arbeiten verwirklichen.

Wie lautet deine Vision?

Als Zahntechniker möchte nicht ich die größte Rolle spielen, sondern mir sowie dem Zahnmediziner und dem Patienten gegenüber authentisch sein. Dazu gehören Konsequenz und Disziplin! Manchmal ist dieser hohe Anspruch unangenehm und schmerzlich. Doch auch wenn wir an Grenzen zu stoßen scheinen, sollten wir uns in diesem Punkt disziplinieren. Wir reden alle immer über hohe Qualität, aber wenn es da- rauf ankommt, dann agieren wir oft nicht in aller Konsequenz und rutschen in den „Alltagsstiefel“. Seit Jahren versuche ich diszipliniert und nahezu kompromisslos nach dem Credo zu arbeiten: Bestand über die Dauer der Zeit hat nur Qualität. Meine Vision ist die Unabhängigkeit der Zahntechnik bei einem zugleich eng verknüpften Miteinander mit dem Zahnmediziner. Zahntechnik ist für mich ein Traumberuf, eine wunderbare Arbeit, mit der ich mich voll und ganz identifiziere. Es ist mehr als ein Handwerk; Zahntechnik ist charakteristisch und ausdrucksstark. Wir können wortwörtlich einem Menschen ein Lächeln in das Gesicht zaubern. Ich wünsche mir, dass wir Zahntechniker dies gemeinsam mit hohem Selbstbewusstsein mehr nach draußen tragen und uns so ein Stück weit Unabhängigkeit erarbeiten.