Ein Interview in der Quintessence
In der Brust des Deutsch-Griechen Haristos Girinis schlagen gleich mehrere Herzen: das griechische, das deutsche, ein bisschen aber auch das Schwarzwälder Herz. Und so wundert es nicht, dass er in seinem Wesen scheinbar gegensätzliche Eigenschaften vereint, wie Überzeugung, Liebe zu dem, was man tut, aber auch Geradlinigkeit und Ordnungsliebe. Egal, wer ihn und wann man ihn nach seinem Credo fragt, seine Antwort ist immer die gleiche: Konsequenz, Disziplin, Authentizität und Emotionen. Diese Werte prägen sein tägliches Tun und treiben ihn an, und er gibt sie an seine Mitarbeiterin weiter.
So wie auch sein fundiertes Wissen. Das hat sich Haristos Girinis unter anderem bei seinem Freund und Mentor ZTM Rainer Semsch, aber auch bei Prof. Dr. Alexander Gutowski angeeignet und in zahlreichen Kursen und Treffen vertieft. Sein großer Wunsch ist, dass sich der Stellenwert der Zahntechnik in der Öffentlichkeit ändert – und sie als eigenständiger und wichtiger Beruf wahrgenommen wird.
Was sind Ihre wichtigsten Eigenschaften für den Beruf des Zahntechnikers?
Grundsätzlich gilt, dass ein Zahntechniker neben der Fähigkeit, strukturiert und organisiert denken und arbeiten zu können, auf jeden Fall handwerklich begabt sein sollte. Und er muss ein gewisses künstlerisches Talent mitbringen. Damit meine ich jetzt nicht die Fähigkeit, Dinge auf der Basis einer überbordenden Fantasie zu kreieren, sondern Kreativität in Bezug auf Erfindungsreichtum. Letzerer hilft einem dabei, Lösungen zu finden, denn Zahntechniker müssen sich häufig kniffligen Situationen stellen und lösungsorientiert denken. Hinzu kommen eine gute räumliche Vorstellung und Wahrnehmungsfähigkeit. All das bringe ich mit, denke ich, doch dann ist da auch noch eine sehr starke emotionale Komponente. Die hilft mir dabei, mich mit dem, was ich tue, zu identifizieren. Das heißt, ich will mich mit der Arbeit verbinden, meine Ideen in das Werkstück einfließen lassen. Das hat fast etwas Meditatives, da ich an jede Versorgung anders herangehe, in sie eintauche, um den individuellen Zahnersatz – denn darum geht es letztendlich – patientenspezifisch herstellen zu können.
Wie sehen Sie die digitale Entwicklung in der Zahntechnik? Ist sie eine Chance oder ein Fluch?
Ganz klar sowohl als auch! Denn da gibt es das „gute“ CAD/CAM, das mir die Arbeit erleichtert, und zwar dort, wo ich mich schwer tue. Ich meine, wer will schon freiwillig ein Oberkieferhufeisen aus einem Zirkonoxidblock herausschnitzen!? Hierfür ist CAD/CAM ein sehr gutes Werkzeug, das mich auf dem Weg, hin zu individuellem Zahnersatz unterstützt. Und dann ist da noch dieses „blöde“ CAD/CAM, diese Verführerin, die wie die Schlange Kaa Zahntechniker aber auch Zahnärzte betört und Dinge verspricht, die es nicht halten kann. Oder falsch, die Versprechen können gehalten werden, es zeigt sich nur, dass sie kompromiss-behaftet sind. Ich mag es einfach nicht, wenn ich mit ansehen muss, wie zahntechnisches und zahnmedizinisches Wissen, aber auch Demut vor der Sache verloren gehen. Unseren Anspruch, der ja unsere Triebfeder sein sollten, sehe ich heute leider verschwinden. Aber das darf nicht aufhören!
Wie wird die Zahntechnik in 20 Jahren aussehen?
Ich denke, die Schere wird immer weiter auseinandergehen. Das wird zur Folge haben, das die Guten, die Individualisten, die Allrounder – und nicht nur die Keramiker, die heutzutage als Synonym für Zahntechniker gesehen werden – immer weniger werden. Dieser Trend passt zu der Entwicklung, die bei der Ausbildung der Zahnmediziner zu beobachten ist. Tragisch ist das im Hinblick auf die Versorgung der Patienten. Doch auch sie werden auf immer oberflächlichere Infomationsmedien zurückgreifen und den Traum vom schnellen und kostengünstigen Zahnersatz suggeriert bekommen. Das ist mit Sicherheit von bestimmten Firmen aus der Dentalindustrie so gesteuert und gewollt, da diese selbst auf die Produktion von Prothetik abzielen. Die Patienten werden damit immer stereotyper versorgt und Individualität wird immer mehr zur Seltenheit.
Darunter werden körperliche Strukturen stark leiden, wenn sie nicht gar zerstört werden. Die Anforderung an individuellen Zahnersatz werden nur noch ganz wenige Zahntechniker bedienen können. Das sind dann die Guten, die sich in meinen Augen auch Zahntechniker nennen dürfen. Die Automation wird das nicht leisten können und auch die Kronenbemaler, die ja dann das Gros der Zahntechniker bilden, werden das nicht können.
Welche Materialien haben Ihrer An- sicht nach vor allem Zukunft?
Wie ich es in einem Podcast mit Dan Krammer auf der Webseite von Quintessence Publishing ausgedrückt habe, sind dies in meinen Augen ganz klar die Keramiken, insbesondere die Schicht-, aber auch bestimmte Presskeramiken. Mit ihnen lassen sich manigfaltige Farb- und Lichteffekte nachahmen und darstellen und die Illusion von Lebendigkeit erzeugen (Abb. 6 und 7). Unser Beruf baut aber auf mehr auf als Keramik. Nicht jedem Patienten sind „nur“ Kronen vergönnt. Daher müssen wir alle Materialien und Techniken beherrschen (Abb. 8). Zum Beispiel sind auch mit Kunststoffen sehr tolle Ergebnisse möglich.
Wie gehen Sie bei der Umstellung von analogen zu digitalen Prozessen vor und wie weit sind Sie in diesem Bereich?
Wir stellen die Zähne immer noch analog im Artikulator auf. Dadurch entsteht für den Zahntechniker ein Bezug zum prothetischen Raum, den es zu füllen gilt und in dem er sich bewegen kann. Dieser Raum ist maßgeblich dafür, was schlussendlich auch realisierbar ist. Ebenso ergänzen wir über analoge Wax-ups verlorengegangene Strukturen oder optimieren Zahnformen. Nach erfolgreicher Anprobe der aus den Set-ups oder Wax- ups generierten Mock-ups können die gewonnenen Daten digitalisiert und mittels der jeweils erforderlichen Technologie oder dem adäquaten Material – auch gerne CAD/CAM-gestützt – umgesetzt werden. Allerdings immer prothetisch orientiert und nach Vorgabe unserer analogen Vorarbeit und Analyse. Das nennt man dann Backward-Planning. Das mag zwar oldschool klingen, ist aber hipper den je.
Was bieten Sie an, um sich von Mitbewerbern abzuheben?
Ich denke, unser prägnantestes Merkmal ist unsere starke Präsenz. Sei es die Wirkung des Werkstücks oder die Ausstrahlung unseres Labors. Last but not least ist es die persönliche Betreung. Unabhängig davon, ob es sich um die prothetische Beratung, prothetische Planung und „für den Kunden da sein“ handelt. Das sind die Faktoren, die uns auszeichnen und in denen unsere Stärken liegen. Der Patient und der behandelnde Arzt sollen wissen, was gemacht wird und von wem es gemacht wird. Dafür braucht es ein Gesicht, sprich den Zahntechniker. Hinzu kommen unser Fleiß und das stete Bestreben, bei jedem Fall den Zähler auf Null zu stellen und sich mit vollem Einsatz für die beste Lösung einzubringen (Abb. 9). Wir bilden uns regelmäßig fort und auch ich gebe mein Wissen gerne in Fortbildungen weiter. Das ist für mich selbst auch oft sehr lehr- eich, das heißt, man bekommt selbst sehr viel zurück.
Sie haben einen Wunsch an die Industrie frei …
Nehmt uns nicht unsere Arbeit weg! Die Industrie soll ihren Job machen und wir machen unseren, mit den Produkten aus der Industrie. Diese Formel kann doch nicht so schwer zu verstehen sein!? Des Weiteren würde ich mir wünschen, dass sich die Industrie mit uns, also ihren Kunden, verbündet, ihre Ohren offen hält für das, was wir wirklich benötigen. Dies sorgt für eine Win-Win-Win-Situation, da dann Produkte entwickelt werden, die sinnvoll und für alle Betetiligten hilfreich sind.